Teeplantage, Indien, East Kerala

6 000 Kilometer und kein Ende

Partnerschaftsgruppe aus Oberhessen trifft an der indischen Ostküste ein und reist abseits der Touristenrouten an die Westküste, nach East Kerala.

Nach über 6 000 Kilometer mit dem Flugzeug legte die Reisegruppe der evangelischen Dekanate Alsfeld, Büdingen, Nidda und Vogelsberg nun weitere 800 Kilometer auf dem indischen Subkontinent zurück, um an ihr Ziel Melukavumattom in East-Kerala zu kommen. Die Dekanate unterhalten seit fast 25 Jahren eine Partnerschaft zur dortigen Diozöse, zu der auch ein regelmäßiger Austausch von Delegationen gehört.

Abenddämmerung über Chennais Hindu-Tempel.

Nach der Ankunft am Flughafen Chennai (früher Madras) an der Ostküste, wurde die Gruppe in das Gästehaus der Church of South India (CSI) gebracht. Von dort aus startete sie die nächsten drei Tage zu den wenigen touristischen Sehenswürdigkeiten wie dem St. Thomas-Hügel, der St. Thomas-Kirche und dem Hindu-Tempel. Zu den wichtigeren Zielen der Gruppe gehörten aber die von der CSI, von Entwicklungshilfe unterstützten, Projekte. Eines davon ist das Ausbildungszentrum für Frauen in Palamaner. Nach sechs Stunden Busfahrt erreichten die zehn Hessen das Zentrum, in dem bis 2004 bis zu 300 Mädchen und Frauen unterrichtet wurden, um ein selbständiges, von ihren Ehemännern unabhängiges Leben führen zu können. Durch schlechte Organisation und Geldmangel waren es nun nur knapp 20 Frauen, die ihre Handarbeiten präsentierten und ihren Computerraum. Nach weiteren Besichtigungen und Gesprächen mit Verantwortlichen des CSI, in denen die Projekte nicht nur gelobt, sondern auch kritisch beurteilt wurden, bestieg die Delegation den Nachtzug nach Madurai. In Abteilen gemeinsam mit Einheimischen mit bis zu sechs Betten. Auf der 500 Kilometer langen Strecke kam man vor dem zu Bett gehen mit manchem indischen Fahrgast ins Gespräch, beantwortete und stellte viele Fragen zu Land, Menschen und Kultur.

Ein Priesterstudent des Tamil Theology Seminary (TTS) in einem Studienzimmer.

In Madurai waren die Oberhessen Gäste des »Tamil Theology Seminary« (TTS) und auf dem dortigen Campus untergebracht, auf dem sich 200 Studenten auf ihr Priesteramt vorbereiten. Interessant war die vielfältige Ausbildung der Priester, welche unter anderem ein Jahr lang in den Slums leben müssen und ein weiteres Jahr auf dem Land bei Bauern, um etwas über nachhaltige Landwirtschaft und die Landbevölkerung zu lernen. Eine Wohngruppe von fünf Priestern in den Slums durfte die Delegation besuchen und erlebte so hautnah die beengten und armen Verhältnisse der dort lebenden Menschen.

Zuvor hatte die Gruppe ein Heim für Frauen besucht, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind oder von Familie und Gesellschaft ausgestoßen worden waren. Die mitreisenden Herren wurden deshalb gebeten, sich im Hintergrund zu halten bei diesem Besuch. Dies gelang jedoch nur schwer, bei dem herzlichen Empfang, den die Bewohnerinnen des Heims auch den männlichen deutschen Gästen bereiteten.

Nach einem gemeinsamen Gottesdienst in einer der Ausbildungsstätten der Priester auf dem Land, bestieg die Gruppe erneut den Bus, um nochmals 300 Kilometer in den Westen zu fahren nach East-Kerala. Nach über sieben Stunden angekommen, waren sie nun wieder einer anderen Welt. Das staubige, heiße Indien im Bundesstaat Tamil Nadu hatten sie hinter sich gelassen und waren nun in den feuchten Bergwäldern East-Keralas. Die Temperaturen liegen etwa zehn Grad unter denen in Tamil Nadu, dafür ist es etwas feuchter. Nach einem Waschtag im Haus des Bischofs Rt. Revd. Dr. Kayalak­kakathu George Daniel in Todupulai, Melukavu­mattom ging es zu einem Gottesdienst-Marathon in einer Bergkirche zwischen Teeplantagen. Der Konfir­mations­got­tes­dienst, den die Hessen mitgestalteten, war mit knapp unter drei Stunden schnell vorbei, für indische Verhältnisse. Doch schloss sich daran noch eine Beerdigung an, die die Gruppe auf eigenen Wunsch hin miterleben durfte, die jedoch einige Gruppenmitglieder auch belastete.

Nach dem Abendessen wurde die 10-köpfige Gruppe auf fünf verschiedene Haushalte aufgeteilt und erwartet dort die nächsten Abenteuer in einer weiteren Woche in Indien.


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Viele Teepflücker, eine Konfirmation und eine Beerdigung

In East Kerala angekommen, erlebt die Gruppe eine Konfirmation und eine erschütternde Beerdigung

Es wurde hektisch vor der Kirche und zwischen zwei Reihen einer Handvoll Frauen ragten nur zwei weibliche nackte Füße hervor. Gerade als die zehnköpfige Gruppe der Partnerschaftsreise 2013 »Oberhessen - East-Kerala« begonnen hatte, die belastende Beerdigung in der kleinen Bergkirche zwischen Teeplantagen zu verdauen, musste sie beobachten, wie die Witwe des Verstorbenen bewusstlos in einen Jeep verladen wurde. Dieser preschte sofort wild hupend die Talstraße ins Dorf hinunter. Die Witwe war am Grab ihres erst 45-jährigen Mannes zusammengebrochen.

Die Teepflückerinnen leben in den Plantagen in Häusern der Firmen. In solchen Häusern leben sechs kinderreiche Familien.

Auf der Weiterfahrt reflektierte die Gruppe aus den Dekanaten Alsfeld, Büdingen, Nidda und Vogelsberg das Erlebte. Pfarrer Thomas Philipp, der schon viele Reisen nach Kerala unternommen hatte, erklärte nun, dass die christliche Gemeinde dort jetzt zeigen könne, dass sie sich von den hinduistischen Gepflogenheiten lösen. Denn nach Hindu-Tradition stünde die Witwe mit ihrem Kind nun alleine da, ohne Halt in der Gesellschaft. Einen neuen Mann würde sie nicht finden, denn auf ihr liege ein Fluch, der jeden weiteren Ehemann töten würde, so glauben die Hindus. Doch Philipp ist sich sicher, dass sie in der christlichen Gemeinde einen Platz finden werde und nicht allein dastehe.

Mit diesen Eindrücken endete die erste Woche der oberhessischen Reisegruppe. Anschließend wurde sie aufgeteilt in fünf Zweiergruppen, die in verschiedenen Dörfern untergebracht wurden. Pfarrer Eberhard Hampel und ich sind eine Gruppe, weshalb ich aus der zweiten Woche nur von unseren Erlebnissen berichten kann. Bei gemeinsamen Touren in dieser Zeit erfahren wir von anderen Mitreisenden, dass sie mit ihren Gastgebern, meist Pfarrern, Hausandachten erlebten, in denen die Gläubigen in Trance verfielen und zu beben begannen. Ein bisschen erinnerte es sie an Voodoo. Näheres dazu kann ich erst berichten, wenn wir nach der Reise unsere Informationen zusammengetragen haben.

Unser kleines Team wohnt in einer alten Kolonial-Villa inmitten einer 1 000 Hektar großen Plantage, als Gäste des Managers Peter King und seiner Familie, Ehefrau Ramona, Sohn John und Tochter Rachel. Eine Familie, die uns sehr westlich orientiert scheint, mit Dienstboten, die uns den Fünf-Uhr-Tee servieren. Dies ist nicht ganz das Indien, das wir sehen wollten, doch gehört es eben auch zu diesem Subkontinent. Die verschiedenen Erfahrungen der Gruppe sollen später reflektiert und zu einem Ganzen zusammengefügt werden. In dieser Woche fanden sich zwei unserer Gruppen zu kleinen Touren mit Referend Roy und Referend Luke zusammen, die uns Land und Leute zeigten.

Wir besichtigten Teeplantagen und -fabriken, Kautschukfelder und eine Gummifabrik und vieles mehr. Ergiebiger aber war ein Spaziergang zu zweit, in dem wir in den Teeplantagen die Pflückerinnen ansprachen und uns mit ihnen unterhielten, soweit es die Englischkenntnisse auf beiden Seiten zuließen.

Für ihre harte, schweißtreibende Arbeit erhalten die Pflückerinnen 210 Rupien täglich, was etwa 2,50 Euro entspricht. Um sich vor den spitzen Zweigen der Sträucher zu schützen, tragen sie dicke Gummischürzen bis an die Hüfte, darunter ihren Sari, laufen bis zu 25 Kilometer am Tag auf den Plantagen bergauf, bergab, tragen ihre Ernte dabei in 15 bis 20 Kilogramm schweren Säcken auf dem Kopf zum Feldrand. In den Pausen legen sie die Gummischürzen ab und die schweißdurchtränkten Saris darunter kommen zum Vorschein.

Die zirka 20 kg schweren Säcke mit Teeblättern werden von den Pflückerinnen zu Wiegestation an der Straße gebracht. Von dort werden sie in Jeeps zur Weiterverarbeitung transportiert.

Von Peter King erfahren wir später, dass die Teefirma eine Krankenstation unterhält sowie einen Kindergarten, der nicht nur den Kindern der eigenen Arbeiter offen steht. Für diese Leistungen, so King, entstehen der Firma pro Pflückerin täglich weitere 150 Rupien an Kosten. Auch diese Woche endet für uns mit einem Gottesdienst am Sonntag zwischen Teeplantagen. Diesmal sind nur Eberhard Hampel und ich von der deutschen Delegation dabei. Als Pfarrer übernimmt Eberhard Hampel die Predigt auf Englisch, die von einem Prediger auf Tamil übersetzt wird, ich darf zuvor die Schriftlesung auf Englisch übernehmen.

Am Nachmittag wird sich unsere Gruppe wieder im Haus des Bischofs Rt. Revd. Dr. Kayalakkakathu George Daniel in Todupulai, Melukavumattom einfinden und die letzte Woche unseres Besuchs gemeinsam bestreiten.


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Kinder und Elefanten

In der dritten Woche nähert sich die Reise der Gruppe ihrem Ende, hält jedoch noch viele Höhepunkte bereit

Vorsicht, nicht die Auslösebänder berühren, die quer über die Trampelpfade gespannt sind. Als wäre das vorsichtige Herabsteigen über den feuchten Boden und der ständige Blick auf die nackten Füße in den Sandalen, ob sich nicht wieder Blutegel festsaugen, nicht schon schwer genug. Doch will niemand von uns die Schwarzpulverladung auslösen, die mit diesen Bändern verbunden ist. Sie soll Elefanten verscheuchen, die sich nachts über die Plantagen hier im Regenwald hermachen wollen.

Schulspeisung im Dschungel, werden die Kinder älter, ziehen sie in die Hostels der Kirche.

Die Gruppe der Partnerschaftsreise der Dekanate Alsfeld, Büdingen, Nidda und Vogelsberg hat heute ihren »Dschungeltag« und besucht zwei kleine Ortschaften im bergigen Regenwald Keralas. In der dritten und letzten Woche der Reise wohnen die Hessen wieder im Haus des Bischofs Rt. Revd. Dr. Kayalakkakathu George Daniel in Todupulai, Melukavumattom und starteten von dort aus zu Tagesausflügen. Der erste führte die Gruppe in den Dschungel und war die Vorbereitung für die Besuche der Schulen und Hostels am nächsten Tag.

Nach zwei Stunden mit dem Kleinbus erreicht die Besuchergruppe den Rand des Dschungels und steigt dort auf Jeeps um. Da wir noch einige Pfarrer mitgenommen haben, sind die Geländewagen überladen, weshalb die schwüle Hitze beim Kuscheln auf der Ladefläche noch intensiver wird. Außerdem kommt es vor, dass hier und da eine Metallteil des Jeeps einem der Besucher hart in die Rippen stößt. Nach einer Stunde erreichen wir eine kleine Siedlung, die nur aus einigen Steinhäusern besteht. Strom und fließend Wasser gibt es nicht und natürlich auch keinen Handy-Empfang und kein Internet. Die Menschen leben hier noch völlig abgeschnitten von der modernen Welt, was auch die Schulbildung der Kinder erschwert. Doch immerhin leben sie nun in festen Behausungen und es findet neben den Gottesdiensten auch ein kleiner Schulbetrieb statt, erste Schritte der Church of South India (CSI), hier zu helfen.

Rev. Jacob auf Hausbesuch im Dschungeldorf.

Die hessische Gruppe wird fröhlich empfangen, wie immer in Indien und muss zwei Mahlzeiten einnehmen, von denen sich eine von den bisherigen Speisen unterscheidet: Statt Reis gibt es zwei verschiedene Wurzelsorten wie Maniok. Kinder und Erwachsene singen in der Kirche ein Begrüßungsständchen, die Hessen revanchieren sich und bald singen alle gemeinsam »Kumbayah My Lord, Kumbayah« und Bischof K. G. Daniel blüht in seiner Funktion als tänzelnder, strahlender Chorleiter auf.

Auf dem Rückweg erklimmt die Gruppe den Berg mit den Elefantenbändern. Auf dem Gipfel findet sich eine Siedlung, die aus traditionellen Hütten besteht. Traditionell bedeutet dort, dass vier Pfosten ein leichtes Dach tragen. Einige Häuser sind auch in Baumkronen gebaut, die Reisplantage ist so klein und unauffällig im Grün rund um die Hütten versteckt, dass die Hessen auch schon mal durchtrampeln, dabei aber nicht so große Schäden verursachen, wie die Elefanten. Für die Kinder hier gibt es keine Möglichkeiten, eine Schule zu besuchen.

Später sollte die Gruppe eine Elefantenstraße parallel zum Waldweg entdecken. Die Dickhäuter haben eine Art Tunnel in den Bambus getrampelt und schemenhaft erscheint ein Elefant im Dunkel des Waldes, der die Jeeps im Auge zu behalten scheint.

Frühstück im Hostel, gleich geht es im Gänsemarsch zur Schule.

Am nächsten Tag besucht die Partnerschaftsgruppe Hostels und Schulen und wird auch dort stets freundlich mit Gesangs- und Tanzdarbietungen der Kinder empfangen. Die oberhessischen Kirchen unterstützen im Rahmen des Partnerschaftsprogramms Hostels in der Nähe von Schulen. In diesen Hostels leben Kinder, denen der Schulbesuch wegen ihres weit außerhalb liegenden Heimatorts nie möglich wäre. Eben solche Kinder, die die Gruppe einen Tag zuvor im Dschungel besucht hatte. Eines der Hostels liegt in Walakom hier werden über dreißig Kinder im Grundschulalter betreut. Sie kommen nur dreimal im Jahr zurück in ihre Familien, wohnen sonst im Hostel. Die oberhessischen Kirchen finanzieren den Aufenthalt der Kinder dort, nicht die Gebäude selbst. Deshalb war eine Gesprächsrunde angesetzt, nachdem die Kleinen mit Tornister im Gänsemarsch zur nahegelegenen Schule aufgebrochen waren. Die Hessen stellten den Verantwortlichen vor Ort dann viele Fragen über die Kosten pro Kind und Monat, beurteilten die Unterbringung und Gesundheit der Schützlinge als sehr gut, so weit man es abschätzen konnte. Vor allem die Frage nach der Qualifikation der Betreuerinnen dort beschäftigte die Besucher. Dabei kam heraus, dass diese keinerlei pädagogische Ausbildung hatten. Ihre Arbeit machten sie augenscheinlich sehr gut, doch könne eine gewisse Ausbildung nicht schaden. Hierzu erklärten die Verantwortlichen, dass die Betreuerinnen 24 Stunden täglich mit den Kindern dort lebten, weshalb sie die Stelle nach wenigen Jahren wieder aufgeben, um ihr eigenes Leben leben zu können, eine Familie zu gründen oder zu dieser zurückzugehen. Eine langwierige pädagogische Ausbildung lohne sich deshalb nicht. Abends überlegten die Pfarrer Thomas Philipp und Eberhard Hampel, ob es eine Lösung sei, deutsche Pädagogen im zweijährigen Turnus nach Kerala zu schicken, um dort zumindest Crash-Kurse anzubieten. Doch ist dies nur eine ins Blaue gesprochene Idee, die jedoch einen Lösungsansatz bieten könnte.

Auf einem Hausboot auf den Backwaters bei Kochi kann die Gruppe noch einmal die Seele baumeln lassen und das Erlebte verarbeiten.

Am letzten Tag ihrer Indienreise konnte die Gruppe bei einer kleinen Kreuzfahrt auf einem Hausboot durch die Backwaters bei Kochi noch einmal richtig entspannen. Der Abflug stand am nächsten Morgen an und die Stille auf dem Wasser umsäumt von idyllischen Ufern, tat den Hessen offensichtlich gut. Oft wurde minutenlang kein Wort gewechselt, jeder ließ seine Blicke schweifen und schien seinen Gedanken nachzuhängen. Die Aufarbeitung der Erlebnisse der letzten drei Wochen hatte bereits begonnen.


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